Donnerstag, 7. April 2011

löte spielen kann in eine Sammlerleidenschaft führen: Mittlerweile ist bei mir die zweite Flöte aus den Händen von David Angus aus Nordirland eingetroffen, dieses Mal, weil ich nicht so viel Geld ausgeben wollte für ein Instrument, das mir möglicherweise zu groß ist, eine recht günstige in D gestimmte Querflöte aus Aluminium, stolze 60 cm lang und mit dem Charme eines - nun ja, ziemlich dicken Alu-Rohres halt. Das gute Stück lässt sich mit meinen kleinen Pfötchen gerade noch so spielen, aber dafür klingt sie trotz der Umgewöhnung auf größere Grifflochabstände und ein ziemlich großes Blasloch schon wunderwunderschön. Sehr irisch und tief, das tiefe D bringt, wenn man es erwischt, den gesamten Brustkorb zum Vibrieren und klingt voll und kräftig wie eine Kirchenglocke. Wie gesagt, wenn. Aktuell ist alles noch recht heiser.
An dieser Stelle muss ich unbedingt etwas weiter ausholen und eine Biographie ans Tageslicht zerren, die trotz ihrer innigen Verbindung mit irischer Volksmusik kaum Erwähnung findet: Die von Turlough O'Carolan nämlich, dem begnadeten blinden Harfenspieler aus dem 17. Jahrhundert, der den rauen Klang irischer Volksstücke mit der Eleganz höfischer Barockmusik sehr gekonnt vereinte und auf den viele noch heute bekannte Stücke zurückgehen.
1670 im County Meath geboren, erkrankt O'Carolan im Alter von 18 Jahren an Pocken und erblindet. Seine Eltern sind einfache Bauern, die von der Familie MacDermot Roe of Alderford House gepachtetes Land bearbeiten. Die Hausherrin, die den Jungen schon zuvor unterrichtet hat, ermöglicht ihm aus Mitleid und damit er auch später ein halbwegs vernünftiges Auskommen hat, eine Ausbildung zum Harfenspieler. Zu dieser Zeit sind Harfenspieler in Irland wandernde Rhapsoden, die zwischen Dorffesten und Herrenhäusern umherziehen und die Bewohner mit Musik und Geschichten unterhalten. Weil O'Carolan schon zu alt und zudem blind ist, beherrscht er das Instrument zeit seines Lebens nicht wirklich, und verlegt sich deswegen auf's Komponieren, worin er dafür um so größeres Talent zeigt. Im Alter von 21 Jahren bekommt er von Mrs. MacDermot Roe ein Pferd und einen Führer und wird in die Welt hinausgeschickt, sein Glück zu machen.
In den folgenden 50 Jahren durchreist O'Carolan Irland von Ost nach West und Süd nach Nord, komponiert Lieder und spielt seine Harfe auf Jahrmärkten, in den Hallen vornehmer Landschlösser, in Bauernhäusern und Kirchen. Schon bald ist sein Ruhm so groß, dass man Begräbnisse und Hochzeiten so lange verschiebt, bis der Harfenspieler eintrifft, um das Ereignis musikalisch zu begleiten. Die ihm entgegengebrachte Gastfreundschaft insbesondere der reicheren Oberschicht dankt O'Carolan mit "Planxties", ein Wort, das er selbst erfunden hat. Ein Planxty ist eine kleine musikalische Zueignung, die einer bestimmten Person gewidmet ist und ihren Namen trägt. Von den über 200 Liedern, die man ihm zuschreibt, sind mehr als dreiviertel solche Planxties, die damit auch die Namen ihrer Eigentümer und womöglich ihren Charakter, ihre Lieblingsmelodie, ihre Eigenarten musikalisch bis heute überliefert haben.
Reich wird O'Carolan mit seiner Musik zwar nicht, aber 1720 reicht es für ein kleine Cottage mit etwas Land und eine Heirat mit Mary Maguire. O'Carolan ist zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre alt, das Alter seiner Braut ist unbekannt. Leicht wird die Ehe nicht gewesen sein, zumal O'Carolan weiter umherreist, trinkt und spielt. Mary schenkt ihm sieben Kinder, sechs Töchter und einen Sohn, und stirbt 13 Jahre später. O'Carolan schreibt eine (unvertonte) Elegie für sie, 1738 fühlt er sich selber krank und kehrt nach Alderford House zurück. Das letzte Planxty, das er komponiert, ist dem Kammerdiener gewidmet, der ihm seinen letzten Drink bringt. O'Carolan stirbt am 25. März 1738 und wird in der Familiengruft der MacDermot Roes beigesetzt.
O'Carolan hat nur wenige seiner Kompositionen niedergeschrieben. Erst 1958 wird das gesamte Werkkompendium in einem Band gedruckt. Dass O'Carolans Musik bis dahin nicht in Vergessenheit geriet, verdankt man der besonderen Achtsamkeit für die mündliche Weitergabe auf der Insel, in der ein Musikstück durch Zuhören gelernt und so durch die Jahrhunderte unter Fiddleplayern, Harfenspielern und Flötisten die Runde macht. Dazu gehört auch die folgende sicher bekannte Melodie, das Planxty "Eleanor Plunkett". Wie immer mit Augenschmausfotos von irishviews.com, diesmal aus dem County Down, wo auch mein Aluknüppel herkommt. :-)

2 Kommentare:

  1. Was für ein interessanter Beitrag - danke Dir dafür! Ich finde es besonders interessant, daß er selbst als nicht-über-drüber-Harfenist zu einem derartigen Ruhm gelangen konnte, daß er also letztlich ein fahrender Komponist war.

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  2. Toll, bei der Musik und den Bildern bekomme ich gleich Heimweh - also schnell wieder weg ;)

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