Mittwoch, 27. April 2011


as ist mein Umzugskarton für das Studienzimmer in München. Also zumindest die Bücherkiste. Ja, ein Koffer mit Kleidung gehört auch noch dazu; auch wenn es durchaus passend wäre, aber ich gedenke mich dort nicht nur in Reclam-Heftchen zu hüllen, um zur Vorlesung zu gehen. ^^ Und die Bratsche werde ich auch mitnehmen, vielleicht findet sich ein Orchester mit Bedarf und nicht gar so hohen Anforderungen, und ich kann endlich wieder im Ensemble musizieren.
Tja, mitterweile leben wir alle zwischen lauter Umzugskartons und unvollständigen Möbelgruppen, was, weil sich der eigentliche Umzug von A nach B (und C in meinem Fall) wegen der Baustelle noch verzögert, eine dauerhafte Atmosphäre der Auflösung und Schwebe etabliert hat, ein Zustand, der uns "Kinder" nicht so sehr bekümmert, aber meinen Eltern spürbar an den Nerven zehrt. Wer zieht schon gerne um? Mit Haus und Firma? Dieses Haus ist zum Schluss wie ein Magen-Darm-Kranker gewesen, dem man ein starkes Brechmittel verabreicht hat, so dass es seit Monaten am, entschuldigung, Dauerkotzen ist, Schutt, Staub, Metall, Holzverkleidungen, Drähte, Leitungen, Rigipstrümmer, Papier, zerschlissene Möbel, alte Türen, und immer wieder zusammengeschrumpelte Tiermumien vom Dachboden, Mäuse, Ratten, Fledermäuse, besagte Katze, Tauben und eine Schleiereule. Der Reinigungseffekt ist famos, man spürt regelrecht, wie es sich bei jeder Fuhre Müll, die wir abstransportieren, ein Stückchen mehr aufrichtet und freier atmet. Aber bis daraus mal ein Heim wird und die Baustelle ganz verschwunden ist, bis quasi mit uns die Hausgeister angekommen sind und man von "Zuhause" sprechen kann: bis dahin wird es wohl noch ein Weilchen dauern.



Aber wenn ich's mir so ansehe, dieses große Haus in einem Städtchen, wie es von Hayao Miyazaki nicht putziger hätte entworfen werden können (wartet nur, bis ich hier Fotos von den bayerischen Freskenmalereien an manchen Bürgerhäusern am Marktplatz poste), dann denke ich, dass dies ein Ort sein wird, an den man gerne zurückkehrt. :-)
So, ich hoffe ihr hattet ebenso schöne, sonnige und erholsame Ostertage wie ich. Der nächste Blogeintrag wird wahrscheinlich ein Weilchen auf sich warten lassen, weil demnächst hier der Telefonanschluss abgestellt wird. Bis denne mal!

Donnerstag, 7. April 2011

löte spielen kann in eine Sammlerleidenschaft führen: Mittlerweile ist bei mir die zweite Flöte aus den Händen von David Angus aus Nordirland eingetroffen, dieses Mal, weil ich nicht so viel Geld ausgeben wollte für ein Instrument, das mir möglicherweise zu groß ist, eine recht günstige in D gestimmte Querflöte aus Aluminium, stolze 60 cm lang und mit dem Charme eines - nun ja, ziemlich dicken Alu-Rohres halt. Das gute Stück lässt sich mit meinen kleinen Pfötchen gerade noch so spielen, aber dafür klingt sie trotz der Umgewöhnung auf größere Grifflochabstände und ein ziemlich großes Blasloch schon wunderwunderschön. Sehr irisch und tief, das tiefe D bringt, wenn man es erwischt, den gesamten Brustkorb zum Vibrieren und klingt voll und kräftig wie eine Kirchenglocke. Wie gesagt, wenn. Aktuell ist alles noch recht heiser.
An dieser Stelle muss ich unbedingt etwas weiter ausholen und eine Biographie ans Tageslicht zerren, die trotz ihrer innigen Verbindung mit irischer Volksmusik kaum Erwähnung findet: Die von Turlough O'Carolan nämlich, dem begnadeten blinden Harfenspieler aus dem 17. Jahrhundert, der den rauen Klang irischer Volksstücke mit der Eleganz höfischer Barockmusik sehr gekonnt vereinte und auf den viele noch heute bekannte Stücke zurückgehen.
1670 im County Meath geboren, erkrankt O'Carolan im Alter von 18 Jahren an Pocken und erblindet. Seine Eltern sind einfache Bauern, die von der Familie MacDermot Roe of Alderford House gepachtetes Land bearbeiten. Die Hausherrin, die den Jungen schon zuvor unterrichtet hat, ermöglicht ihm aus Mitleid und damit er auch später ein halbwegs vernünftiges Auskommen hat, eine Ausbildung zum Harfenspieler. Zu dieser Zeit sind Harfenspieler in Irland wandernde Rhapsoden, die zwischen Dorffesten und Herrenhäusern umherziehen und die Bewohner mit Musik und Geschichten unterhalten. Weil O'Carolan schon zu alt und zudem blind ist, beherrscht er das Instrument zeit seines Lebens nicht wirklich, und verlegt sich deswegen auf's Komponieren, worin er dafür um so größeres Talent zeigt. Im Alter von 21 Jahren bekommt er von Mrs. MacDermot Roe ein Pferd und einen Führer und wird in die Welt hinausgeschickt, sein Glück zu machen.
In den folgenden 50 Jahren durchreist O'Carolan Irland von Ost nach West und Süd nach Nord, komponiert Lieder und spielt seine Harfe auf Jahrmärkten, in den Hallen vornehmer Landschlösser, in Bauernhäusern und Kirchen. Schon bald ist sein Ruhm so groß, dass man Begräbnisse und Hochzeiten so lange verschiebt, bis der Harfenspieler eintrifft, um das Ereignis musikalisch zu begleiten. Die ihm entgegengebrachte Gastfreundschaft insbesondere der reicheren Oberschicht dankt O'Carolan mit "Planxties", ein Wort, das er selbst erfunden hat. Ein Planxty ist eine kleine musikalische Zueignung, die einer bestimmten Person gewidmet ist und ihren Namen trägt. Von den über 200 Liedern, die man ihm zuschreibt, sind mehr als dreiviertel solche Planxties, die damit auch die Namen ihrer Eigentümer und womöglich ihren Charakter, ihre Lieblingsmelodie, ihre Eigenarten musikalisch bis heute überliefert haben.
Reich wird O'Carolan mit seiner Musik zwar nicht, aber 1720 reicht es für ein kleine Cottage mit etwas Land und eine Heirat mit Mary Maguire. O'Carolan ist zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre alt, das Alter seiner Braut ist unbekannt. Leicht wird die Ehe nicht gewesen sein, zumal O'Carolan weiter umherreist, trinkt und spielt. Mary schenkt ihm sieben Kinder, sechs Töchter und einen Sohn, und stirbt 13 Jahre später. O'Carolan schreibt eine (unvertonte) Elegie für sie, 1738 fühlt er sich selber krank und kehrt nach Alderford House zurück. Das letzte Planxty, das er komponiert, ist dem Kammerdiener gewidmet, der ihm seinen letzten Drink bringt. O'Carolan stirbt am 25. März 1738 und wird in der Familiengruft der MacDermot Roes beigesetzt.
O'Carolan hat nur wenige seiner Kompositionen niedergeschrieben. Erst 1958 wird das gesamte Werkkompendium in einem Band gedruckt. Dass O'Carolans Musik bis dahin nicht in Vergessenheit geriet, verdankt man der besonderen Achtsamkeit für die mündliche Weitergabe auf der Insel, in der ein Musikstück durch Zuhören gelernt und so durch die Jahrhunderte unter Fiddleplayern, Harfenspielern und Flötisten die Runde macht. Dazu gehört auch die folgende sicher bekannte Melodie, das Planxty "Eleanor Plunkett". Wie immer mit Augenschmausfotos von irishviews.com, diesmal aus dem County Down, wo auch mein Aluknüppel herkommt. :-)

Sonntag, 3. April 2011

o überstürzen sich die kleinen, privaten Ereignisse: mit einem Mal ist der Frühling, man möchte sagen, mit voller Wucht eingetroffen, nach fünf Semestern absolut erfolgloser Sucherei ließ sich plötzlich innerhalb von einer Woche eine komplette Studentenbude zum unglaublich günstigen Preis organisieren, in der Arbeit läuft alles gelinde gesagt prima, aus den unwahrscheinlichsten Ecken kommt genau dann, wenn ich es brauche, ein kleiner Geldbonus, und alles in allem zeigt sich das Leben von seiner rosigsten Seite. Meine Güte, heute ist sogar der 119. Jahrestag der Eisbechererfindung, das macht schon fast misstrauisch. Irgendwie hab ich Angst, für dieses Seidenbettdasein in nächster Zeit die bittere Zeche zahlen zu müssen, auch wenn das Leben nicht immer (aber immer öfter) wie ein attisches Drama funktioniert. Bei all den Schreckensmeldungen der Tagesschau wie in Japan, Libyen der Elfenbeinküste scheint uns simples, einfaches, funktionierendes Wohlsein schlicht zu überfordern oder gar zu beschämen, gerade so als hätten wir's nicht verdient.
Bei solchen Gelegenheiten, wenn alles zu gut oder vor allem zu schlecht ausschaut, muss ich mein ganz persönliches Mantra hervorkramen, ein Satz, der irgendwie mäßigend, beruhigend, nivellierend wirkt und Gefühle wie Angst, Misstrauen und Wut sofort in milde Gelassenheit verwandelt.

"We are such stuff as dreams are made on,
and our little life is rounded with a sleep."

Na, wer hat's erfunden? ;-) Eine echte Zauberformel, dreimal aufgesagt und schon ist alles gut. Und jetzt hol ich mir noch einen Becher Vanilleeis.