Mittwoch, 23. März 2011

Feentor

Heute auf dem Heimweg im Wald gefunden.
Ich wünsch euch einen wunderschönen Frühling! :-)

Sonntag, 20. März 2011

Lunatic at Kells

abt ihr euch gestern Nacht auch den Vollmond angesehen? Bei uns hat sich mit Beginn der Nacht zum Glück die Wolkendecke aufgelöst, so dass der Mond in seiner ganzen Pracht über einen blanken, sternenschimmernden Nachthimmel ziehen konnte. Leider hatte ich nicht ganz so viel Sinn dafür entwickeln können, weil's im Haus, eingedenk der Tatsache, dass zum Beispiel die klugen Engländer jemanden Verrücktes immer noch als "lunatic" bezeichnen, so richtig sinnlos aber laut gekracht hat. Im Nachhinein (soll heißen nach einem warmen, sonnenerfüllten Sonntag mit Büchern und Tee) denke ich, dass dies eine notwendige und wichtige Entladung gewesen war, die viele aufgestaute Frustrationen und Ängste lösen konnte, aber gestern Abend war ich natürlich ziemlich erschrocken und traurig, außerdem hasse ich schon im Vorfeld den Morgen nach solchen scherbenerfüllten Familienstreitereien. Jetzt ist aber alles wieder gut. Wir belieben uns lautstark zu streiten, das macht das Balkanblut, aber ebenso schnell verraucht die Glut auch wieder und was nach so einer waldbrandartigen Raserei übrig bleibt, lässt Raum für neues Wachstum.
Die Vegetationsmetaphern hat mir ein Film eingeimpft, den ich schon seit längerem empfehlen wollte, und zwar The Secret of Kells, die Art von Zeichentrickfilm, die man sich nach dem ersten Anschauen sofort auf die imaginäre Liste der Medien setzt, welche man später mal seinen Kindern zeigen möchte. Erzählt wird die (erfundene) Geschichte um die Entstehung des Book of Kells im 9. Jahrhundert in Irland aus der Sicht des Waisen und Novizen Brendan, dessen Onkel Cellach der Abt von Kells ist und die wahnlastige Idee hat, die Siedlung und das Kloster durch eine große Mauer vor den drohenden Wikingereinfällen zu schützen. Bald trifft ein Mönch namens Aidan in Kells ein, der vor den Wikingern von der Insel Iona nach Irland fliehen musste, und neben einer seeehr charaktervollen weißen Katze namens Pangur Bán ein unvollendetes Buch dabei hat, dessen herrliche Illustrationen, die vom berühmten Heiligen Colum Cille (besser bekannt als Saint Columban) begonnen worden sind, in der Lage sein sollen, das Böse zu besiegen und Dunkelheit in Licht zu verwandeln. Aber Aidan ist bereits zu alt um das Buch zu vollenden und spannt Brendan, der über einen wachen Verstand und viel Imaginationskraft verfügt (manchmal hat er Visionen), gegen den Willen des Onkels ein. Brendan verlässt auf Aidans Geheiß hin Kells auf der Suche nach Galläpfeln, um grüne Pigmenttinte herstellen zu können, und trifft in den unheimlichen Tiefen des Waldes auf Aisling (sprich äschling), eine Tuath de Dannan in Gestalt eines weißhaarigen Mädchens. Aisling, die manchmal die Gestalt eines weißen Wolfes annimmt, rettet Brendan nicht nur das Leben und zeigt ihm, wo er in ihrem Wald die Galläpfel finden kann, sondern warnt ihn auch vor den Menhiren und Hügelgräbern, in denen eine dunkle Entität zu Hause zu sein scheint.
Zurück in Kells lernt Brendan von Aidan die Kunst der Illumination und emanzipiert sich zunehmend von seinem dominanten und vom Mauerbau besessenen Onkel. Als die Nachricht eintrifft, dass die Wikinger in Irland auf dem Vormarsch sind und das Buch nicht fertig zu werden droht, vertraut Aidan Brendan an, dass er die feinziselierten und winzigen Illustrationen nur durch einen kaleidoskopartig vergrößernden Kristall, bekannt als "Colum Cille's third eye", ausführen konnte, der aber bei der Flucht von Iona zerstört wurde. Brendan erkennt in Aidans Beschreibungen und seiner Bemerkung, dass Colum Cille den Kristall im Kampf mit dem irischen Unterweltgott Cromm Gruach errungen hat, einen Gegenstand aus seinen Visionen wieder und kehrt mit der nur widerstrebend folgenden Aisling zu den Hügelgräbern zurück. Im Kampf mit Cromm Cruach reißt Brendan ihm ein Auge aus, das den Kristall darstellt, verliert aber Aisling, die sich nun nicht mehr in einen Mensch verwandeln kann und als weiße Wölfin in den Wäldern verschwindet. Brendan kehrt nach Kells zurück und vermag nun die unglaublichen Illustrationen im Buch auszuführen. Aber sein Onkel, der Abt Cellach, verärgert über die Abwendung seines Neffen von seinen Idealen, zerreist die ersten gelungenen Illuminationen und sperrt Brendan und Aidan im Skriptorium ein. Wenig später greifen die Wikinger Kells an, töten alle Einwohner, die sich nicht in den zentralen Turm des Klosters retten können, setzen die Siedlung in Brand und verletzen Cellach schwer. Brendan und Aidan können mit Aislings Hilfe entkommen, ziehen sich in eine Einsiedelei fernab in den Wäldern zurück, vollenden das Buch und reisen in den folgenden Jahren durch Irland, um mit seiner Hilfe die Menschen gewaltfrei zum Christentum zu bekehren. Erst als erwachsener Mann kehrt Brendan mit Pangur Bán nach Kells zurück, begegnet noch einmal Aisling in Gestalt der Wölfin und kann endlich mit seinem greisen Onkel Frieden schließen. Zu diesem Zeitpunkt wird das Book of Kells tatsächlich geöffnet und der Zuschauer sieht, was die Menschen in jener Zeit zweifelsohne zutiefst beeindruckt haben muss: die erstaunlichen und detailreichen Illustrationen, die ironischerweise nicht auf dem römisch-christlichen Bildkodex des restlichen Europas fußen, sondern auf dem, was die heidnisch-gälische Kultur dem irischen Christentum vermacht hat - eben das, was Brendan von Aisling lernen konnte.
Gut, die Story ist vielleicht etwas einfältig, aber was das visuelle Design des Filmes anbelangt, gehört das mit zum Schönsten, was die letzten Jahre auf dem Gebiet geleistet wurde, und was eben nur von Hand gezeichnete Filme bieten können. Alles in der Welt von Kells ist keltischen Formen nachempfunden und wirkt wie eine Buchmalerei, durchmischt zwar mit ein bisschen Klimt und ein bisschen Hundertwasser, was aber nicht stört. Schön auch, dass es trotz des christlichen Hintergrunds kein wirklicher Missionierungsfilm ist. Jesus wird nicht einmal erwähnt, und "god" nur, wenn sich's nicht vermeiden lässt. Was im Vordergrund steht, ist die Darstellung von Glaube und Imagination, die die Mönche befähigten, eines der bedeutendsten Kulturzeugnisse des Frühmittelalters zu schaffen, das wirklich wie ein Licht in diesen finsteren Zeiten erschienen sein muss.
Neben Aisling ist zweifelsohne die Katze Pangur Bán die sympathischste Figur im Film. Pangur Bán ist gälisch und bedeutet ungefähr so viel wie "weiße Walkwolle". Der Name hat einen realhistorischen Hintergrund, wie ich entzückt festgestellt habe, und zwar geht er auf ein altirisches Gedicht zurück, das von einem zweifelsohne begabten irischen Wandermönch gedankenlos an den Rand einer Handschrift in Süddeutschland gekritzelt wurde, und in dem er das Jagen seiner weißen Katze Pangur Bán nach Mäusen mit seinem eigenen Streben nach Erkenntnis durch die Buchlektüre vergleicht. Das ganze Gedicht kann man hier nachlesen, der Link zur englischen Übersetzung steht ganz unten. Man muss sich das einmal vorstellen, dass jemand im 9. Jahrhundert nach Christus, einer Zeit, in der nach dem Untergang der Antike das Mittelalter begonnen hat, so richtig finster zu werden, einfach ein auf seine Art so schönes Gedicht aus dem Ärmel schüttelt, ohne Herumgefeile, als bloße Randnotiz und Gedankenspielerei - kein Wunder, dass Irland damals den Ruf hatte, eine Insel zu sein, die nur von Heiligen und Gelehrten bewohnt wurde.


Montag, 14. März 2011

Das bisschen Super-GAU

ch bin gerade ziemlich schockiert darüber, wie hurtig die akute Katastrophensituation in Japan hierzulande für politische Stimmungsmache ausgenutzt wird, sowohl von den Regierungsparteien wie auch der Opposition. Es scheint mir geradezu unanständig, sich hier parteisuhlend selbstgefällig über das Für und Wider von Atomenergie auszulassen, während dort immer noch Menschen leiden und Menschen sterben und die atomare Katastrophe gerade ein Ökosystem, das ein Drittel unserer Planeten umfasst, über wahrscheinlich Jahrtausende hinaus verseuchen wird. Natürlich wird es beizeiten keine hübsche kompakte Wolke über Deutschland geben, weil Radioaktivität noch nicht das Internet für sich entdeckt hat, sondern auf Winde und Strömungen angewiesen ist. Ich frage mich trotzdem nur, wie sich unser Umweltminister bei der idiotischen Aussage, für Deutschland bestünde damit keine Gefahr, noch im Amt halten kann. Schon mal aufgefallen, woher der unglaublich günstige Thun kommt, der Mode-Pangasius, der Alaska-Seelachs? Dass Mangos und Litchies nicht unbedingt in Baden-Württemberg zu Hause sind, und wir einen ziemlich großen Teil unserer Importwaren, von Spielzeug bis hin zu Elektrowaren, aus diesem Raum beziehen? Ich könnte lachen, wenn die Situation nicht so bitterbitterernst wäre. Die nächste haarsträubende Aussage: in Deutschland kann ein solcher GAU nicht passieren, weil es hier keine Erdbeben und Tsunamis gibt. Ja? Dass nicht das Erdbeben oder der Tsunami direkt zur Explosion im Fukushima-Meiler führten (beides haben die Gebäude und Kühltürme nahezu unbeschadet weggesteckt), sondern erst der Stromausfall und der daraus resultierende Zusammenbruch des Kühlsystems, das ist eine Ereigniskette, die den Otto-Normal-Verbraucher-Bild-Zeitungs-Leser hier wahrscheinlich intellektuell überfordert oder von der er nichts zu wissen braucht. Ein Stromausfall, ein Versagen im Kühlsystem, das sind Dinge, die hier auch ohne weiteres passieren können.
So, jetzt habe ich doch noch über Atomenergie in Deutschland zu zetern angefangen. Das muss nicht sein. Nicht jetzt. Es gibt auch positive Nachrichten, von dem 60-Jährigen, der in Begriff war, auf dem Dach seines Hauses auf den Pazifik hinausgetrieben zu werden, gefunden und gerettet werden konnte. Draußen vor meinem Fenster bahnt sich sehr sacht aber bestimmt der Frühling seinen Weg, Finken singen. Gestern habe ich ein Feld voller Schneeglöckchen unter Erlen gesehen. Es sind so wunderschöne Dinge, die die Natur verschwenderisch herschenkt, und für die jetzt keiner einen Sinn hat. Jedes Schneeglöckchen ein gerettetes Leben, wenn das möglich wäre...

Dienstag, 1. März 2011


eute feiert man in Rumänien mit dem 1. März schon mal den Frühlingsanfang. An diesem heute sogar wunderbar sonnigen, wenn auch noch kühlen Tag schenken sich jenseits des Waldes Frauen und Männer ein kleines Martisor (sprich marzischoar), was übersetzt "Märzchen" bedeutet. Noch vor 200 Jahren haben die Frauen ihren Auserwählten am 1. März so ein Märzchen geschenkt, mittlerweile hat sich der Brauch umgekehrt (vielleicht patriarchalische Tendenz, müsste man mal nachforschen). Der Brauch ist uralt, er geht wahrscheinlich auf die dakoromanischen Kulturen zur Zeitenwende zurück, denn die Römer feierten schon am 1. März den Frühlingsanfang, den Beginn des neuen Jahres und gleichzeitig den Beginn der Feldarbeiten. Ein solches Märzchen besteht immer aus einer rot und weiß gekordelten Schnur in Schleifenform, an der manchmal ein kleines Glückbringerchen befestigt ist, dazu überreicht man auch gerne Schneeglöckchen. Die weiße Schnur steht für den Schnee, die rote für die Sonne, manchmal auch für das Blut. In einigen Gegenden, besonders Richtung Bulgarien hin, verschenkt man auch schwarz-weiße Schnüre. Das beschenkte Mädchen trägt die Schnur entweder mit einer Nadel befestigt an der Kleidung oder ums Handgelenk so lange, bis es einen blühenden Baum sieht. Dann darf es das Märzchen abnehmen, in den Baum werfen und sich etwas wünschen. Wenn die Schnur gleich beim ersten Wurf im Geäst hängen bleibt, geht der Wunsch in Erfüllung, fällt sie herunter, ist dies ein schlechtes Zeichen. Mittlerweile schenken auch wieder Frauen ihren Männen ein Martisor, es ist einfach ein Glücksbringer und Festzeichen, mit dem man seine Freude über den nahenden Frühling ausdrückt.
Je nach Region erzählt man sich die unterschiedlichsten Legenden über Entstehung und Bedeutung der März-Schnürchen. Die meisten beinhalten einen Kampf zwischen zwei mythischen Figuren (ein Drache und ein Held, der die gefangene Sonne befreien will, oder eine Winter- und eine Frühlingshexe), bei dem einige Tropfen Blut auf die Erde fallen, den Schnee zum Schmelzen bringen und so den Winter beenden. In Gedenken an dieses Ereignis flochten die Menschen rote und weiße Schnüre zusammen und schenken sie sich seitdem zum Ende des Winters.
Nur weil ich Kulturwissenschaften studiere, darf der Hinweis natürlich nicht fehlen, dass sich hinter diesen Geschichten und der Farbsymbolik vielleicht eine letzte diffuse Erinnerung an recht blutige Opferriten verbirgt, die die Sonne zurückbringen und den Winter beenden sollen. Immer wieder interessant, wie Mythen und scheinbar simple Legenden als kollektive Gedächtnisspeicher fungieren, die sehr weit in die Vergangenheit zurückreichen. In diesem Sinne - für mich ist der 1. März der Beginn eines fröhlich-erwartungsvollen Count-Downs zur Tagundnachtgleiche und damit endlich endlich dem Beginn der guten Zeit. Mit Barfußlaufen in grünem Gras, duftenden Blüten und der Sonne im Gesicht.