Mittwoch, 22. September 2010

An Irish Beauty

ach fast einmonatiger Wartezeit ist sie endlich da, die Flöte, die ich über eBay erworben habe. Wenn man ein Paket aus einem Land erwartet, das weiter weg liegt als etwa Österreich, wird einem mal wieder bewusst, wie groß unsere Welt immer noch ist; der erste Postwurfstempel der Royal Mail auf dem Päkchen stammte noch von Ende August, DHL hat's heute vor die Tür gelegt.
Gekauft habe ich dieses schöne Exemplar aus dunklem Walnussholz von David Angus , einem Flötenmacher aus dem County Down in Irland. Bei dem Instrument handelt es sich nicht direkt um eine "richtige" irische Querflöte, sondern um eine sog. Fife, das ist eine kleinere Piccoloflöte mit sechs Grifflöchern, die sich besonders im 19. Jahrhundert in der Militärmusik großer Beliebtheit erfreute. Die schrillen Pfeifen, die britische Soldaten in Historienschinken mit einer geradezu grotesk anmutenden Fröhlichkeit spielen, wenn sie dem Feind entgegenmarschieren, sind solche Fifes, die in einer sehr hohen Oktave überblasen werden. Das Instrument an sich ist allerdings schon älter; es hat seine Vorfahren im Mittelalter des europäischen Kontinents, wo solche Trommel- Seiten-, oder Schwegelpfeifen von Söldnern und Bauern gleichermaßen gespielt wurden. Das Wort "Schwegel" leitet sich von ahd. "suegala" ab, was "Schienbeinknochen" bedeutet - die ersten kurzen Flöten hat man, schon seit Anbeginn der Menschheit, aus Knochen gemacht. Letztes Jahr hat man zum Beispiel in Deutschland Flöten aus Elfenbein und Geierknochen gefunden, die 35.000 Jahre alt waren. Die Flöte ist damit das vermutlich älteste Musikinstrument der Menschheit.
Ja, schon wieder abgeschweift - selbstverständlich hätte ich zu Beginn lieber eine richtige irische Holzquerflöte gespielt, aber was man erst gar nicht bedenkt ist, dass diese Instrumente so richtig groß sind. Es hat schon seinen Grund, warum die meisten Irish Flutes heute von Männern gespielt werden: Bei einer Länge von über 60 cm und einem Durchmesser von bis zu zweieinhalb liegen die Grifflöcher, wenn man sich nicht mit einem Klappensystem behilft, so weit auseinander, dass man einfach große Hände braucht, um überhaupt darauf spielen zu können, vom notwendigen Lungenvolumen für den richtig langen Atem ganz zu schweigen. Eigentlich ziemlich sexistisch, so eine Irish Flute *grmpf*. Aber sei's drum, die Fife bringt denselben warmen, vollen Klang mit, der Holzflöten gegenüber der metallenen Tin Whistle so auszeichnet, sie ist sehr leicht zu lernen (selbst mit völlig verdorbener autodidaktischer Anblastechnik wie der meinen kriegt man nach ein bisschen Pusten ein paar Töne raus), man transportiert und pflegt sie leichter, und sie lässt einen, weil im Gegensatz zur Blockflöte quer gehalten, total elegant aussehen. :-D Wer sich fragt, für was er in langen Grundschuljahren mit Blockflötenunterricht gequält wurde, findet hier die Antwort, denn die Griffweise ist nahezu identisch. Und weil die Fifes, Tin Whistles und Irish Flutes durch ihre Bohrung bereits entsprechend vorgestimmt sind, muss man selbst ohne Harmonienkenntnisse nur ein paar Töne spielen und fühlt sich schon versetzt nach Dublin oder die wilden Küsten von Moher...
Falls ich jetzt wen mit meiner Begeisterung für irische Musik angesteckt habe, reichhaltiges Notenmaterial findet man bei The Session, einer selbstlosen Community, die im Netz ermöglicht, wovon Irlands Musik schon seit Jahrhunderten lebt: den freien Austausch zwischen den Spielern. Von dort stammt auch das Notenmaterial zu folgendem Lied, einer bretonischen Bourrée namens "Crested Hens" (sowas fällt auch nur den Galliern ein). Die heiseren Zwischentöne bitte ich zu entschuldigen, wir gewöhnen uns noch aneinander, die Fife und ich.

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